Coaching in der Corona Krise
Digitale Coaching Formate reichen von synchronen Medien wie Telefon, Videotelefonie oder Textchat zu asynchronen wie E-Mail, Voicemail oder Videomail. Während synchrone Medien eine ortsunabhängige Kommunikation zwischen Klient*innen und Coach*in ermöglichen, bieten asynchrone Medien eine orts- und gleichzeitig zeitunabhängige Kommunikation zwischen Klient*innen und Coach*in. Dies schafft die Möglichkeit, Coachings über große Zeitzonen hinweg wahrzunehmen. Beteiligte können sich ferner beliebig viel Zeit für das Ansehen von Kommunikationsbotschaften und deren Beantwortung nehmen (Geißler, 2018, S. 115).
Daneben gibt es virtuelle Coachingräume, in denen Avatars sowie Coaching-spezifische und -unspezifische elektronische Problemlösungs-Tools wie das CAI® Tool oder Coaching Spaces verwendet werden (Triebel, 2018, S. 12). Eine Mischung von verschiedenen digitalen Formaten bzw. eine Kombination von digitalem und Präsenz Coaching wird als „Blended Coaching“ bezeichnet (Bendel, 2016; Hahnzog, 2018, S. 168).
Die wichtigsten asynchronen und synchronen Medien für Coachings werden im folgenden in Anlehnung an die Ausführungen von Geißler beschrieben (2018, S. 119-120):
Telefon und Voicemail Coaching
Das Telefon Coaching gilt als die am meisten akzeptierte Variante des digitalen Coachings. Die hohe Verbreitung und technische Verlässlichkeit des Telefonierens fördern dessen Akzeptanz und Nutzung für Coachings. Darüber hinaus bietet das Telefonieren die Möglichkeit, verbal so zu kommunizieren wie in einem Präsenz Coaching. Die Medientheorien der Kanalreduktion und der Herausfilterung sozialer Hinweisreize (Döring, 2003, S. 149-157) in Verbindung mit der Medientheorie der sozialen Informationsverarbeitung (Döring, 2003, S. 161-166) indizieren, dass die Klient*innen sich durch den Wegfall der visuellen Daten stärker auf die Coaching Thematik konzentrieren. Das Voicemail Coaching stellt die asynchrone Variante des Telefoncoachings dar. Es wird über den Austausch von Sprachnachrichten zwischen Coach*in und Klient*in umgesetzt. Neben der Gesamtheit der positiven Merkmale des Telefon Coachings bietet Voicemail Coaching den Beteiligten beliebig viel Zeit zum Anfertigen von Nachrichten.
Video und Videomail Coaching
Das Video Coaching weist eine höhere Komplexität auf als das Telefon Coaching, da visuelle und auditive Inhalte miteinander kombiniert werden. Durch die gestiegenen technischen Anforderungen ergibt sich allerdings eine höhere Störanfälligkeit. Der Blickkontakt über die Aufnahmekamera ist nicht mit dem natürlichen Blickkontakt gleichzusetzen und ein wechselseitiger Blickkontakt über das Video ist nur eingeschränkt möglich. Die Kameranutzung empfiehlt sich für die Übertragung von realen Problemlösungsmedien wie beispielsweise Flipcharts eher als für die Arbeit mit elektronischen Problemlösungsmedien wie digitale Aufstellungsübungen. Unter Videomail Coaching wird das Austauschen von auditiven sowie visuellen Komponenten über Videonachrichten verstanden. Es besitzt entsprechende Vorteile wie das Video Coaching, wobei Coach*in und Klient*in nicht in einen gemeinsamen Zeitfluss eingebunden sind und deshalb nicht unter Zeitdruck kommunizieren müssen.
Textchat und E-Mail oder SMS Coaching
Textchat Coachings bestehen aus schriftsprachlichen Kommunikationsphänomenen, die mit elektronischen Hilfsmitteln synchron vermittelt werden und um Emoticons etc. ergänzt werden können. Der nicht vorhandene verbale und visuelle Kontakt reduziert einerseits das Risiko sozialer Vorurteile und Übertragungseffekte, andererseits vermindern sich die diagnostischen Quellen für die Coach*in sowie deren Möglichkeiten zur Steuerung des Kommunikationsprozesses. Der Textchat weist ebenso wie das Telefon-Coaching den Vorteil auf, dass die Beteiligten sich durch den Wegfall visueller Daten stärker auf die Unterhaltung konzentrieren können. Textchat Coaching wird in der Praxis kaum verwendet, da eine Verschriftlichung von Gedanken und Gefühlen unter Zeitdruck bei vielen Klient*innen zu Widerständen führt. Unter E-Mail oder SMS Coaching wird der zeitlich flexible Austausch von schriftsprachlichen Kommunikationsphänomenen verstanden.
Avatar Coaching und Coaching mit spezifischen oder unspezifischen elektronischen Problemlösungstools werden im Folgenden beschrieben:
Avatar Coaching
Avatare sind „elektronisch generierte 3D-visuelle Phänomene in virtuellen Welten“ (Döring, 2003, S. 98-109). Sie ähneln in ihrer äußeren Erscheinung meist ‚echten‘ Menschen (Abbildung 5) und zeigen non-verbale menschliche Körperausdrücke. Auf diese Weise können die Klient*innen sich stark mit ihrer Avatar-Figur identifizieren. Die Klient*innen bestimmen dabei nicht nur das Aussehen ihres Avatars, sondern sie wählen zumeist auch das Aussehen ihrer Coach*in und das jeweilige Setting (im Garten, im Büro etc.) aus. Die Avatare können synchron oder asynchron über Audio- oder Textfunktionen miteinander kommunizieren. Die künstlich erstellte Avatar-Welt bietet einen sicheren Rahmen, um mit den Avataren neue Verhaltensweisen zu erproben. Die Coach*in enthält durchweg diagnostisch wertvolle Inputs über die starke Ausdrucksfähigkeit der Avatare. Den vielen Vorteilen stehen insbesondere technische Herausforderungen und Bedienungsanforderungen gegenüber.
Abbildung 5: Avatar Coaching. Darstellung von TriCAT Spaces [Video t=13:08].
Coachingspezifische Problemlösungstools
Im Folgenden werden vier elektronische Problemlösungstools vorgestellt, welche einen ersten Einblick in die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Coachings erlauben.
Coachingunspezifische Problemlösungstools
Die Coaching unspezifischen elektronischen Problemlösungstools beziehen sich auf Tools wie z. B. Power-Point-Dokumente, elektronische Texte, Fotos und Videos sowie auf Hilfsmittel für die Aufnahme und Wiedergabe von Audiodateien, wie z. B. Diktiergeräte.
- Virtuelles Coaching (VC): Das virtuelle Coaching ist primär textorientiert und eignet sich für eine synchrone und sequenzielle Verbindung mit dem Telefon-Coaching. Im Mittelpunkt stehen die virtuelle Übermittlung von Fragen an die Klient*innen, auf welche diese im Selbstcoaching oder auch im Dialog mit der Coach*in schriftlich antworten. Diese Antworten können nach Belieben weiter illustriert werden, z. B. durch Fotos.
- CAI®: Das CAI® Tool basiert auf Telefon- oder Videokommunikation und ist entsprechend textlich wie auch bildlich. Es erleichtert den Coaching Prozess insbesondere für die Coach*in, die bei Bedarf auf elektronisch vorliegende Coaching Fragen zurückgreifen können und eine Vielzahl an vorgegebener und gestaltbarer Visualisierungen in die Coaching Sitzung mit einbauen können. Eine beispielhafte Übung für eine Visualisierung ist „das innere Kind“, bei welcher die Klient*in ihre inneren Stimmen, Persönlichkeitsanteile oder auch Werte herausarbeitet und im Raum darstellt (Abbildung 6).
Abbildung 6: Das innere Kind über CAI ®. Darstellung nach CAI GmbH 2019.
- Coaching Spaces: Ebenso wie das CAI® Tool basiert das Coaching Spaces Tool auf der Telefon- oder Videokommunikation. Die Besonderheit an diesem Tool liegt in seiner Funktion der 3D-visuellen Aufstellungsarbeiten. Verschiedene Figuren und Gegenstände können in Coaching Spaces nach Größe und Farbe gestaltet und im Raum platziert werden. Die Figuren können miteinander synchron und sequenziell über Sprechblasen kommunizieren und aus unterschiedlichen Positionen heraus betrachtet werden.
- ProReal: Einen Schritt weiter als Coaching-Spaces geht das Tool ProReal. Dieses Tool bietet eine virtuelle Landschaft, in welcher Avatare sich frei bewegen können. Die Avatare lassen sich hinsichtlich ihres Aussehens frei gestalten und können neben der Sprechblasen-Kommunikation auch eine Vielzahl an emotionsexpressiver Bewegungen ausführen (z. B. des Zorns oder der Angst). In gleicher Weise wie bei Coaching Spaces können verschiedene Figuren und Gegenstände positioniert werden und aus unterschiedlichen Positionen heraus betrachtet werden. ProReal ist ebenso wie das virtuelle Coaching mit Telefonkommunikation, aber nicht mit Videokommunikation vereinbar.
Literatur:
Bendel, O. (2016). Blended Learning. Gabler Wirtschaftslexikon. Online verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/435569391/blended‑learning‑v5.html, zuletzt geprüft am 13.12.2019.
Döring, N. (2003). Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. 2te Aufl., Göttingen.
Geißler, H. (2018). E-Coaching - ein Überblick. In: Greif, S.; Möller, H.; Scholl, W. (Hrsg.). Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching. Berlin, S. 115–122.
Triebel, C. (2018). Alles wird digital, alles wird anders. In: Heller, J.; Triebel, C.; Hauser, B.; Koch, A. (Hrsg.). Digitale Medien im Coaching. Grundlagen und Praxiswissen zu Coaching-Plattformen und digitalen Coaching-Formaten. Berlin, Heidelberg, S. 8‑14.
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