Stressentstehung und erfolgreiches Stressmanagement
Aktualisiert: 22. Nov. 2020
Stressoren, Stressreaktionen und Stressverstärker
Stress ist evolutionär bedingt und entsteht als Reaktion auf Bedrohungssituationen (Statista Research Department, 2018). Zunächst erhöht die mit dem Stress verbundene Ausschüttung von Stresshormonen die körperliche Leistungsfähigkeit. Die Stresshormone dienen evolutionär dazu, in einer Bedrohungssituation zu kämpfen oder auch zu fliehen (im Englischen: fight-or-flight reaction). In der heutigen Zeit muss der Mensch bei seiner Reaktion auf bedrohliche Situationen eher seine geistige Leistungsfähigkeit erhöhen. Werden die ausgeschütteten Stresshormone nicht durch körperliche Anstrengungen abgebaut, führen diese zu Anspannungen, die im modernen Alltagsleben kein Ventil zum Lösen dieser Anspannungen haben, sodass es vermehrt zu einem krankhaften Verbleiben in Anspannung kommt (ebenda).
Umfrageergebnisse der Techniker Krankenkasse zeigen, dass sich in Deutschland ca. drei Viertel der Erwachsenen gelegentlich und ca. ein Viertel häufiger gestresst fühlen (siehe
Abbildung 3). Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Die drei größten Faktoren für die Entstehung von Stress bei Erwachsenen stellen das Berufsleben, hohe Ansprüche an die eigene Person und private Konflikte dar. Als insbesondere stressauslösend werden zu lange Arbeitszeiten und ständiger Termindruck genannt (Statista Research Department, 2018; Techniker Krankenkasse, 2016). Die hohen Stresslevel sind insbesondere bedenklich, da Stress die Ausbildung von physischen und psychischen Erkrankungen verursachen kann. Das stressbedingte Burn-out-Syndrom kann zu seelischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen führen. Die Krankenkassen fordern daher eine stärkere Sensibilisierung der Arbeitgebenden für die Stressbelastung ihrer Mitarbeitenden (ebenda).

Abbildung 3: Verbreitung von Stress in der deutschen Erwachsenenbevölkerung. Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista 2019 nach Techniker Krankenkasse, 2016, S. 6.
Der Stressforscher Gert Kaluza unterscheidet drei Aspekte des Stress-Geschehens: Die Stressoren, die Stressreaktionen und die persönlichen Stressverstärker (2018, S. 63).
Als Stressoren werden die äußeren belastenden Situationen oder Bedingungen bezeichnet. Kaluza unterscheidet (2018, S. 16):
- Physikalische Stressoren (wie Lärm, Hitze, Kälte, Nässe)
- Körperliche Stressoren (wie Verletzung, Schmerz, Hunger, Behinderung)
- Leistungsstressoren (wie Zeitdruck, quantitative und/oder qualitative Überforderung, Prüfungen)
- Soziale Stressoren (wie Konkurrenz, Isolation, zwischenmenschliche Konflikte, Trennung, Verlust)
Stressreaktionen sind die Reaktionen des Organismus auf Stressoren. Stressreaktionen können nach Kaluza auf folgenden, sich gegenseitig beeinflussenden Ebenen ablaufen (2018, S. 17):
- Auf der körperlichen Ebene äußern sich Stressreaktionen in einer Aktivierung und Energiemobilisierung (wie Beschleunigung von Atmung und Herzschlag, erhöhte Muskelanspannung), die bei langfristigem Andauern zu Erschöpfungszuständen und gesundheitlichen Schädigungen führen.
- Auf der behavioralen Ebene können sich Stressreaktionen in hastigem, ungeduldigem Verhalten, Betäubungsverhalten (wie Alkoholkonsum, Überarbeitung), unkoordiniertem Arbeitsverhalten oder über einen konfliktreichen Umgang mit anderen Menschen zeigen.
- Auf der kognitiv-emotionalen Ebene äußern sich die Stressreaktionen innerpsychisch, also in Gedanken und Gefühlen von innerer Unruhe und Nervosität, Unzufriedenheit und Ärger, in Ängsten zu versagen oder sich zu blamieren, in Hilflosigkeit, Selbstvorwürfen und dem Gefühl von innerer Leere.
Persönliche Stressverstärker versteht Kaluza als eine Art Mediatoren zwischen Stressoren und Stressreaktionen. Als persönliche Stressverstärker können sich auswirken: Individuelle Motive, Einstellungen und Bewertungen, wie ein ausgeprägtes Profilierungs- bzw. Perfektionsstreben, oder die Unfähigkeit, eigene Leistungsgrenzen zu akzeptieren. Persönliche Stressverstärker können darüber entscheiden, ob ein Stressor eine Stressreaktion auslöst (2018, S. 63).
Individuelle Stressbewältigung

Gestresste Menschen bedienen sich unterschiedlicher Bewältigungsstrategien. Kaluza kategorisiert diese in drei Arten von Stressmanagement: instrumentelles, mentales und regeneratives (2018, S. 63).
Das instrumentelle Stressmanagement verfolgt das Ziel, die Stressoren aktiv zu reduzieren und nach Möglichkeit auszuschalten. Beispiele für instrumentelles Stressmanagement sind (Kaluza, 2018, S. 63):
- Informationen suchen
- Arbeitsaufgaben delegieren
- Persönliche Zeitplanung verändern
- Fortbildungsveranstaltungen besuchen
- »Nein« sagen
- Nach Unterstützung suchen, soziales Netzwerk aufbauen
- Klärungsgespräche führen
- Arbeitsaufgaben gezielt strukturieren
- Persönliche oder berufliche Prioritäten definieren
Beim mentalen Stressmanagement werden persönliche Stressverstärker wie Motive, Einstellungen und Denkmuster reflektiert. Dabei geht es um die Objektivierung von Bewertungsprozessen und um den Ausbau der mentalen Regulationsmöglichkeiten. Dabei können auch die Werte und Ziele oder die generalisierten Einstellungen einer Person geprüft werden. Beispiele für mentales Stressmanagement sind:
- Perfektionistische Leistungsansprüche kritisch überprüfen und eigene Leistungsgrenzen akzeptieren lernen
- Schwierigkeiten nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung sehen
- Sich mit alltäglichen Aufgaben weniger identifizieren, innere Distanz wahren
- Weniger feste Vorstellungen und Erwartungen an andere haben
- Sich selbst weniger wichtig nehmen, »Demut« lernen
Das regenerative Stressmanagement ist auf den Umgang mit Stressreaktionen ausgerichtet und kann kurzfristig oder langfristig sein:
- Kurzfristig: Einnahme von Psychopharmaka, Ablenkung oder Belohnung, entlastende Gespräche führen, Trost und Ermutigung suchen, sich kurz entspannen, bewusst ausatmen
- Langfristig: Hobbies ausüben, Freundschaften pflegen oder Sport treiben
In der Praxis haben sich aktives Problemlösen, kognitive Umstrukturierung, das Bemühen um bzw. die Inanspruchnahme von sozialer Unterstützung sowie die Akzeptanz negativer Emotionen als besonders effektiv erwiesen. Es kann jedoch keine Standardstrategie zur Belastungsbewältigung festgelegt werden, da die Anforderungsbedingungen und Bewältigungspräferenzen von Person zu Person divergieren. Kaluza empfiehlt grundsätzlich eine ausgewogene Balance zwischen instrumentellen, kognitiven und regenerativen Copingstrategien sowie eine Flexibilität im Bewältigungshandeln (2018, S. 67).
Literatur:
Kaluza, G. (2018). Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. 4te Aufl., Berlin, Heidelberg.
Statista Research Department (2018). Statistiken zum Thema Stress. Statista. Online verfügbar unter https://de.statista.com/themen/236/stress/, zuletzt geprüft am 28.10.2019.
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